Zusammenfügung (= Komposition)

 

Was ist nun Komposition? In einigen neueren Werken kann man lesen, dass es sich dabei um die Wortbildungsart handelt, bei der zwei oder mehrere unmittelbare Konstituenten zu einem neuen Ganzen vereinigt werden. Ein Wort wie Motorrad setzt sich also aus zwei solchen Komponenten zusammen: aus der Motor und das Rad

 

Kurz gesagt: Aus zwei Wörtern entsteht ein neues Wort, wobei das letzte Glied das grammatische Geschlecht bestimmt: der Motor + das Rad > das Motorrad 

 

I) Substantivisches Kompositum:

 

Um ein substantivisches Kompositum handelt es sich dann, wenn das Grundwort ein Substantiv ist. Hier gilt es mehrere Arten zu unterscheiden: 

 

a) Substantiv + Substantiv:

 

Beispiele:

 

Sporthalle, Regenbogen (Simplex als Erstglied), Donaustrand (Simplex = Eigenname); Prüfungsaufsicht (mit Derivaten); Dorfgasthaus, Gasthausgarten (mit Kompositum als Grund- oder Bestimmungswort)

 

b) Adjektiv + Substantiv:

 

Beispiele:

 

Tiefebene, Leerstelle, Mürbteig (mit Tilgung des -e in mürbe)

Höchstform, Bestzeit; Mehrwert, Mindestzahl

Frühsommer („Sommer in einem frühen Stadium, temporal)

Hochebene (lokal, „Ebene, die hoch liegt“)

Kraushaar (auf die äußere Erscheinung bezogen; „Haar, das kraus ist“)

Hochsaison (augmentativ, vgl. oben)

Kleinwagen, Halbbildung (Verminderung)

 

c) Verb + Substantiv:

Insgesamt schwach vertreten, was die Gemeinsprache betrifft (in bestimmten Fachsprachen hingegen relativ häufig).

 

Beispiele:

 

Angelschnur, Wandertag, Planierrampe, Rufnummer

 

d) Numerale + Substantiv:  Nulldiät, Zehnkampf

e) Pronomen + Substantiv (selten): Wirgefühl ~ Wir-Gefühl, Selbstverteidigung

f) Präposition + Substantiv (eine etwas wenig problematische Kategorie): Ab-grund, Mitgefühl, Gegengewicht, Nebenfrau, Zwischenraum

g) Adverb oder Partikel + Substantiv: Soforthilfe, Heimweg, Nichtfachmann, Noch-Bundeskanzler

h) Konfix + Substantiv (gegenwärtig sehr produktiv): Pseudofachmann, Vizepräsident, Multimillionär; seltener heimische Konfixe, nur Stief- und Schwieger: Stiefmutter, Schwiegersohn

 

i) Bildungen mit Wortgruppen bzw. Sätzen: Sowohl-als-auch-Kriterium, Ich-kann-nicht-mehr-Gerede 

 

II) Adjektivische Komposition

 

Um eine adjektivische Komposition handelt es sich dann, wenn das Grundwort ein Eigenschaftswort ist. Auch hier gilt es wieder mehrere Arten zu unterscheiden:

 

a) Substantiv + Adjektiv:

 

Beispiele:

 

butterweich, gazellenflink: Vergleich mit einer Eigenschaft von A:

hundeelend, brandneu: Steigerung (Augmentativkompositum)

stadtbekannt: lokale Relation: („bekannt in A“)

randvoll: (Ausmaß, „voll bis A“)

regennass: kausale Relation (B aufgrund von A)

... und vieles mehr.

 

b) Adjektiv + Adjektiv:

 

Beispiele:

 

Meist aus Adjektiv + Adjektiv: frühreif, schwerkrank ~ früh reif, schwer krank. Das ist aber nicht verallgemeinerbar, vgl. altklug ( alt klug). Zu erwähnen sind hier u.a. auch Komposita mit einem Superlativ als Erstglied: besterhalten, größtmöglich, meistbesucht. Hier gibt es häufig Unsicherheiten, ob das Erst- oder das Zweitglied den Superlativ tragen soll – oder gar beide: meistbesucht ~ vielbesuchtest ~ meistbesuchtest. Die letzten beiden Versionen gelten als Normverstöße.

 

c) Verb + Adjektiv:

 

Komposita dieser Art scheinen stark zuzunehmen, nicht so sehr in der Gemein-sprache, aber in Fachsprachen (z.B. reißfest, bedienarm), in der Werbung (streichelweich, kuschelweich) und auch in der Lyrik (flimmergelb, flatterzart).

Besonders produktiv sind Bildungen mit dem Muster „Verbalstamm + fähig, fest, sicher“ etc., z.B. gleitfähig, reißfest, treffsicher.

 

d) Pronomen + Adjektiv: Hierunter fallen v.a. WB mit selbst-: selbstsicher, selbstverliebt. Seltener sind andere, z.B. all-: allbekannt, allgegenwärtig.

e) Präposition + Adjektiv: nur wenige Präpositionen spielen hier eine Rolle, diese aber kommen in relativ vielen Bildungen vor, v.a. über-: übervorsichtig; unter-: unterdurchschnittlich, vor-: voreilig. Relativ selten, in der Gegenwartssprache aber wohl im Zunehmen: mit-: mitverantwortlich.

f) Adverb + Adjektiv: eher selten, z.B. wohlerzogen, extrascharf

 

g) Konfix + Adjektiv: im Zunehmen begriffener Bildungstyp, z.B. mono-: monokausal, poly-: polyfunktional; bi-, hetero-, homo-sexuell

 

III) Verbale Komposition: 

 

Um eine verbale Komposition handelt es sich dann, wenn das Grundwort ein Zeitwort ist. Dass es hier nicht so viele Arten gibt, liegt mehr oder minder an der Uneinigkeit der Forschung innerhalb der Linguistik. 

 

a) Adverb + Verb : wegtragen, hinzufügen

b) Adjektiv + Verb : dichthalten, lockermachen

c) Substantiv + Verb : teilnehmen, standhalten

 

d) Verb + Verb: Infinitiv + Verb: ruhenlassen, kennenlernen, sitzenbleiben (bei denen es aber oft Reibungen mit der orthographischen Regelung gibt).

 

 

 

Quelle:

Patocka, Franz: Wortbildung des Deutschen. (Wien 2015). 

Ernst, Peter: Germanistische Sprachwissenschaft. Einführung in die synchrone Sprachwissenschaft des Deutschen. 2. Auflage. (Wien 2011).